In einem offenen Brief an den Landkreis bittet die SPD-Buchholz darum die angeordneten Maßnahmen gerade für Kinder und Jugendliche jedes Mal aufs Neue zu überdenken und ihre Folgen auch außerhalb des Infektionsschutzes abzuwägen.

Quarantäneanordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie an Kitas und Schulen

Sehr geehrte Frau Gesundheitsamtleiterin Gruhl, sehr geehrter Herr Landrat Rempe,

wir möchten uns heute aus aktuellem Anlass an Sie wenden, weil uns in den letzten zwei Wochen aus unterschiedlichen Richtungen Sorgen und Ängste in Bezug auf die von Ihnen ausgesprochenen Quarantäneanordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zugetragen wurden, die wir heute mit diesem Schreiben an Sie weiterreichen möchten.

Zunächst einmal möchten wir uns für die von Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistete Arbeit bedanken. Sie geben täglich alles, um die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. Wir sind uns darüber bewusst, dass dies eine noch nie dagewesene Herausforderung ist und wir haben den größten Respekt vor den Abwägungen, die Sie täglich vornehmen müssen.

Die von Ihnen in den letzten zwei bis drei Wochen gehäuft ausgesprochenen Quarantäneanordnungen für Schulen und Kindertageseinrichtungen haben ihre juristische Berechtigung und wir möchten uns nicht anmaßen, die medizinische Wirksamkeit solcher Maßnahmen zu beurteilen. Jedoch möchten wir Ihnen die soziale Tragweite Ihrer Entscheidungen, die Sie täglich in Einzelfällen treffen müssen, darlegen.

In den letzten Wochen mussten viele Schulklassen und Kitagruppen in Quarantäne, weil eine oder auch mehrere Personen aus ihrem Umfeld an Covid-19 erkrankten. Oftmals haben die von Ihnen ausgesprochenen Quarantäneanordnungen die Möglichkeit des Freitestens explizit ausgeschlossen. Besonders für die Kita-Kinder hat diese Anordnung schwerwiegende Folgen. Die Kinder werden von heute auf morgen aus ihrem Alltag herausgerissen, ohne dass sie verstehen, warum. Im Gegensatz zu Schulkindern, können Sie keinen Kontakt zu ihren Bezugspersonen außerhalb der Familie (Freunde und Erzieher) halten, weil sie weder die Fähigkeiten noch die Mittel nicht haben, ihren Bedürfnissen nachzugehen. Unabhängig von einer nachgewiesenen Infektion verbringen sie also zehn Tage in häuslicher Isolation. Die Kinder können hier nur wenig motorisch oder sensorisch gefördert werden. Sie bauen in dieser Zeit ihre kommunikative Fähigkeit nicht aus, auch ihr Sozialverhalten kann nicht geübt werden. Dass häusliche Isolation auf die kindliche Psyche schwerwiegenden Einfluss nimmt, ist durch Kinderpsychologen und Experten in Theorie und Praxis hinlänglich aufgezeigt worden.

Doch nicht nur Kinder und Jugendliche leiden unter der Quarantäne. Gerade auch junge Familien sind es, die in den letzten Wochen wieder gehäuft auf uns zugekommen sind, um uns von ihren Sorgen und Ängsten zu berichten. Anders als die Familien mit Jugendlichen, sind Eltern von Kleinkindern häufig gezwungen, der Arbeit fernzubleiben, um die Quarantäne mit dem daheimgebliebenen Kind zu verbringen. Gerade diese Familien sind es, die bereits seit zwei Jahren immer wieder an ihre Grenzen kommen. Häufig stehen beide Elternteile mit beiden Beinen im Berufsleben und gefährden ihre Erwerbstätigkeit, wenn sie der Arbeit fernbleiben oder Zusagen nicht eingehalten werden können. Auch Eltern, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, können – anders als im Lockdown im Frühjahr 2021 – nicht ihrem Beruf nachgehen, denn sie müssen bei ihrem Kind zu Hause bleiben, um es zu betreuen. In solchen Fällen betrifft eine Quarantäneanordnung für eine ganze Kita-Gruppe nicht nur die Familien der 25 Gruppenmitglieder, sondern auch diejenigen, die von der Arbeit des nun zu Hause bleibenden Elternteils profitiert hätten. Die betreffenden Eltern spiegeln uns vielfach, dass sie dies als einen persönlichen Lockdown empfinden.

Sehr geehrte Frau Gruhl, sehr geehrter Herr Rempe,

in Anbetracht dieser Ausführungen bitten wir Sie daher inständig, die angeordneten Maßnahmen gerade für Kinder und Jugendliche jedes Mal aufs Neue zu überdenken und ihre Folgen auch außerhalb des Infektionsschutzes abzuwägen.

Ferner regen wir an, dass Sie zwecks dieser schwierigen Abwägung auch den verstärkten Austausch mit umliegenden Landkreisen, sowie Vertreterinnen und Vertretern der Betreuungseinrichtungen und Schulen unseres Kreises suchen, nicht zuletzt, um hier ein nachvollziehbareres Vorgehen zu gewährleisten. Wir halten diese Transparenz beispielsweise vor dem Hintergrund des Ausschließens der Freitest-Möglichkeit bei Kindern und Jugendlichen für erforderlich.

Die Corona-Pandemie verlangt uns allen besondere Anstrengungen und eine wiederkehrende Anpassung unserer Abläufe ab. Wir bitten Sie unser Schreiben in diesem Sinne als konstruktiven Diskussionsbeitrag zu verstehen. Wir sind insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Gesundheitsdienstes für den großen persönlichen Einsatz dankbar, den sie zur Bekämpfung der Pandemie erbringen.